Er war einer der wichtigsten Lehrer am Weimarer und Dessauer Bauhaus und gründete das new bauhaus in Chicago: László MOHOLY-NAGY (1895-1946) steht an Bedeutung und Einfluss Vasily Kandinsky, René Magritte, Walter Gropius oder gar Picasso nicht nach.
Der gebürtige Ungar hat einen festen Platz im Olymp der Klassischen Moderne. Führende Galeristen der 1920er-Jahre, darunter Hans Goltz, Wolfgang Gurlitt sowie Herwarth Waldens DER STURM zeigten seine Werke. In der Gegenwart ist Moholy-Nagy unverzichtbarer Teil der besten Museen der Welt. Ob MoMa und Guggenheim in New York, das Chicago Art Institute, Neue wie Alte Nationalgalerie Berlin oder das Pariser Centre Pompidou - sie alle pflegen sein Werk.
Doch Moholy-Nagy ist längst nicht so bekannt wie andere Bauhaus-Kollegen. Zu Unrecht, wie dieser Film zeigt. Wichtigste Erzählerin in dieser Film-Biografie ist Moholy-Nagys Tochter Hattula, geboren 1933 in Berlin. Sie versäumt es nicht, auch den beiden Ehefrauen in Moholys Leben ein Denkmal zu setzen. Sie waren Partnerinnen auf Augenhöhe, die selbst künstlerisch arbeiteten. In den 1920er Jahren lebte und arbeitete er gemeinsam mit der Fotografin Lucia Moholy. Seine zweite Ehefrau wurde die aus Dresden stammende Schauspielerin Sibyl Moholy-Nagy, geb. Pietzsch. Sybil trotzte László zwei Kinder ab, folgte ihm ins Exil nach London und Chicago, und avancierte nach seinem Tod zu einer wichtigen Architekturkritikerin. Besonders ihr ist das erstaunliche Oeuvre, das Moholys nach nur 51 Lebensjahren hinterließ, mitzuverdanken.
War László ein Tausendsassa, der sich aus schwierigen sozialen Verhältnissen in der ungarischen Provinz herauskämpfte - seine beiden kongenialen Ko-Kreateurinnen waren es nicht minder. Gemeinsam teilten sie die Überzeugung, dass die dingliche Gestaltung und Darstellung der Welt vor allem auch eine soziale und politische Frage ist.
Zwar folgt der Film doch klassisch dem Lebenslauf von László. Doch er arbeitet immer wieder heraus, wie sehr sein Werk das Ergebnis eines Kosmos Moholy ist, in dem kollaborative Prozesse und geschickt gespannte Netzwerke eine zentrale Rolle spielen. Und mindestens ebenso wichtig wie seine ausstellbaren Werke ist die "soziale Plastik", die er hinterließ: Eine Schule, die ein Hotspot der Innovationen ihrer Zeit war.
In der 1937 als "the new bauhaus" gegründeten Einrichtung paarten sich Ideen aus Europa mit amerikanischem Pioniergeist. Das "DI" war ein Ort, an dem vielfältige Methoden, Geräte, Ideen und Materialien ohne Scheu ausprobiert werden durften. Das alles - lange vor Joseph Beuys - unter dem Leitsatz: Jeder Mensch hat Talent.
Und: Kein Material ist zu gering, selbst Müll kann zu Kunst werden. Oder zum Produkt. Das war den Studenten des DI bereits in den frühen 1940er Jahren ganz selbstverständlich geläufig. Auch eine große Vielfalt von Lehrkräften trug zum Erfolg bei. Lange bevor er eine Legende war, hielt etwa Buckminster Fuller im Design Institute Vorträge.
Doch dieses Kunstwerk der Lehre und des Lehr-Managements konnte nur existieren, weil Moholy-Nagy unermüdlich immer neue Finanzierungsquellen erschloss. Was wiederum ohne die kongenial-tatkräftige Arbeit seiner Frau Sibyl undenkbar gewesen wäre. Gemeinsam mit einem industriellen Haupt-Mäzen gelang es ihnen, die Chicagoer Design-Schule durch unsichere Zeiten zu bringen, bis der Nachkriegsboom in den USA schließlich für ein ruhigeres Fahrwasser sorgte. Gerade noch rechtzeitig, den 1946 starb Moholy.
Wie ein Myzel verbreiteten ehemalige Lehrer und vor allem Schüler des "DI" in den 1950er Jahren den Geist des Chicagoer Instituts in alle Ecken der USA. Sie prägten die Entstehung eines neuen Berufszweiges mit: des modernen Graphic und Product Designs. So etwa ist das Cover der Rolling-Stones-Platte LET IT BLEED eine Arbeit des Design-Institute-Schülers Robert Brownjohn. Auch ein bis heute viel verkauftes, besonders handschmeichelndes Seifenstück einer großen US-Marke geht auf Arbeiten am Design Institute zurück.
Es waren auch solche Ikonen aus Popkultur und Massenproduktion, die vom Bauhaus beeinflusste Trends in neuer Form zurück in Richtung Europa trugen. Sie halfen, den Mythos dieser Schule zu beiden Seiten des Atlantiks bis heute lebendig zu halten - und auch Moholy Nagy zurück ins Bewusstsein zu bringen.
Verfasserangabe:
Produktion: Alysa Nahmias, Erin Wright, Petter Ringbom; Drehbuch: Alysa Nahmias, Miranda Yousef; Kamera: Petter Ringbom; Regie: Alysa Nahmias; Montage: Miranda Yousef
Jahr:
2024
Verlag:
Potsdam, filmwerte GmbH
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